Brettspiele, Blogs und Videoberichte – mehr Mut zum Anders sein.

tabletop-logo-654x280Ich weiß dass ich mich heute einmal sehr weit aus dem Fenster lehnen muss und eventuell dem ein oder anderen voll vor´s Gesicht stoßen werden muss. Aber ich hab mir die vergangene Zeit so einige Gedanken gemacht – über Brettspiele, die sogenannte „Brettspielszene“, zu der auch die Blogger, die Youtuber und letztendlich natürlich auch die Spieler gehören. Eventuell könnte mich der ein oder andere hier als Nestbeschmutzer bezeichnen, aber das Risiko gehe ich jetzt einfach mal ein.
Es soll heute um Charakter gehen. Um Menschen, die etwas ausstrahlen, Menschen die streitbar sind, aber einfach „cool“ rüber kommen – manche aber auch eben nicht.

Aktueller Anlass, dies hier zu Papier zu bringen, war ein Vorschlag, welcher aus der „Brettspielwiese“ – meiner liebsten Facebook-Gruppe zum Thema Brettspiele, hervorging. Auf die Frage, was man davon hielte wenn es ein (Fernseh? Youtube?)-Format ähnlich des US-amerikanischen „Tabletop“ geben würde, wurde recht schnell mit Fernsehbesserwisser Bernhard Hoecker reagiert. In Tabletop fröhnt Wil Weaton, bekannt aus den Fernsehserien Star Trek oder The Big Bang Theory, seinem Hobby und spielt mit prominenten Gästen, Freunden oder einfach mit seiner Familie Brettspiele. Ein tolles Format, welches weltweit seines Gleichen sucht. In der Tat wäre Bernhard Hoecker einer der wenigen, deutschsprachigen Fernsehschaffenden, die bekennende Fans von Brettspielen sind. Hoecker ist ein super interessanter, humorvoller und hochintelligenter Mensch zu gleich, hat was Unverwechselbares und ganz viel Wiedererkennungswert. Ich befürchte jedoch, dass sowohl „Höckerchen“ als auch unser aller Lieblingsbrettspiele in Kombination zu unangepasst für eine große Öffentlichkeit sind.
Ein Problem ist halt dass es – im Gegensatz zu den USA – keine Schauspieler oder Prominente gibt, welche so exzessiv Brettspiele lieben wie Wil Weaton und seine „Freunde“ aus The Big Bang Theory, Und die derzeit Aktiven bei YouTube sind – nett gesagt – zu wenig charismatisch für die ganz große Öffentlichkeit. Es ist eh so eine Sache, mittlerweile versucht sich ein großer Teil an Nutzern am Spielen vor laufender Kamera, die wenigsten davon beherrschen jedoch das charismatische Spiel mit dieser. Zwar gibt / gab es mit Hunter & Cron´s „Brettspielclub“ ein recht unterhaltsames Format in welchem sie jedoch häufiger eher Youtube-C-Promis und Ex-Fernsehgesichter zum Spielen einluden. Hunter & Cron sind super sympathische „Jungs von nebenan“, versprüen allerdings auch recht wenig Strahlkraft über unseren kleinen Mikrokosmos hinaus. Cron ist doch Drehbuchautor, ich könnte mir gut vorstellen dass die beiden irgendwann nochmal ein seriöses Schauspieltraining absolvieren, an ihren Stärken arbeiten und noch mehr Erfahrungen vor der Kamera hinzugewinnen. Dies, gepaart mit mehr Professionalität in der Technik, könnte ein Erfolgsrezept für neue Reichweiten sein. Ach, und Kinder vor der Kamera sollte man bitte lassen. Ich denke, dass muss nicht sein.
Ganz gleich ob es um das „Gesicht in die Kamera halten“ geht, um das Podcasten oder um das Veröffentlichen von geschriebenen Eindrücken, Nicht jeder der es macht, sollte es auch tun. Der Markt ist eh übersättigt mit immer gleichen Inhalten. Nur ganz wenige Menschen aus diesem Spielekosmos schaffen es, ihre Begeisterung auch standesgemäß einem Publikum rüberzubringen. Ganz gleich ob die Cliquenabend-Videos, der Podcast „Bretterwisser“, der Youtube-Kanal Spielama oder die verfassten Artikel von Spielevater – es gibt kaum ein Medium, welches mich als unterhaltungsorientierten Nutzer wirklich vollkommen überzeugt. Cliquenabend kommt zu bieder rüber, die Bretterwisser sind, aller Versuche zum Trotz, einfach echt nicht witzig und der Spielevater ist ein zurückhaltender, gelassener Schwabe ohne nennenswerten Charme. Nicht falsch verstehen, fachlich und sachlich sind diese allesamt genial und hochwertig. Aber bin ich da alleine auf weiter Flur? Ich möchte tatsächlich Unterhaltung, ich möchte Emotionen und ich möchte dass mich die Berichterstattung fesselt. Ich liebe so Videoformate wie die Solo-Spiele, die Kim von Spielwelten spielt. Der Kerl hat rheinisch-ruhrigen Charme, kennt sich aus und liebt seine Spiele die er spielt. Ebenso das Team von SpieleabendTV – drei Freunde, die ihre Lieblingsspiele vor laufender Kamera spielen und sich humorvoll auf die Schippe nehmen, ohne dabei flach oder gekünstelt lustig zu wirken. So geht Unterhaltung.
Denn was mir in vielen anderen Rezensionen und Blogs auffällt ist immer wieder die Schablonenhaftigkeit dieser – fast emotionslos werden die immer wieder gleichen Phrasen runtergebrettert, Spielevorstellungen verkommen zu sachlichen Regelerklärungen + kleinem Fazit. Wenn sich all diese Berichte dann noch auf die üblichen Spiel des Jahres-Mainstream-Titel beschränken, weigere ich mich mittlerweile komplett, diese zu lesen. Ich möchte unterhalten werden, ich möchte mich auch streiten dürfen, kritische Worte lesen oder eine Wohlfühlathmosphäre beim Lesen spüren. Vorallem aber möchte ich, dass Rezensenten sich Mühe geben etwas ANDERS zu machen. Stattdessen lese ich in vielen Rezensionen auch noch die immer gleichen Wortwahlen, als würde jeder voneinander abschreiben. Ich schreibe nicht viel auf meinem Blog, das weiß ich auch. Aber was ich versuche zu verfolgen sind Fotografien, die das Spiel thematisch einrahmen – irgendeinen Mehrwert muss man bieten, sonst geht man unter.
Als positive Beispiele möchte ich da mal einige Blogs nennen. Mehr oder weniger beeindruckende Projekte sind in meinen Augen nämlich diese, die es über längere Zeit schaffen, eine Nische zu füllen, dass Brettspielen mit anderen, neuen und abwechslungsreichen Inhalten zu füttern. Über lange Jahre fühlte ich mich durch Guido Heinecke´s Schreibe auf dem deutschen Ableger von trictrac bestens unterhalten. Dieser verstand es, die Fahne des sogenannten „New Boardgame Journalism“ bestens hoch zu halten. Eine Berichterstattung fernab des üblichen Einheitsbreis, was in Spieleblogs gepostet wird. Es soll im Mittelpunkt stehen was einem im Spiel vorgeht. Was macht es mit mir und wie interpretiere ich dieses Spiel. Dabei mochte ich die freche und provokante Art des heutigen Spiel des Jahres-Geschäftsführer Heinecke. Ohne ihn im Team wird auf jedenfall in der Zukunft einiges fehlen.
Ein geschätzter weiterer, lesenswerter Blog ist Knopfspiele.de – dessen Autor Daniel berichtet liebevoll über die Spiele die er alleine oder gemeinsam mit seinem Knopf (gemeint ist, natürlich, sein Sohn) spielt. Das beschreibt er so sympathisch, so freundlich und erfrischend, dass ich mich sogar freue Artikel zu Spielen zu lesen, die ich entweder schon genau kenne oder aber selbst schlecht finde. Sein Schreibstil ist ein ganz besonderer, außerdem umschifft er gekonnt die Fahrwasser der Mainstream-Titel und versucht sich mehr und mehr im Spielen und Vorstellen von Kinderspielen und Solo-Titeln. Eine absolute Ausnahmeerscheinung, da er auch nicht versucht die Kinderspiele zu bewerten, sondern das Erleben aus Sicht eines Vaters rüberzubringen.
Mein dritter Lieblingsblog ist zugegebenermaßen nichts für den Mainstream-Spieler, wer sich nur für das Spiel des Jahres oder die Spieleabteilung im örtlichen Supermarkt begeistern kann, wird hier schnell das Weite suchen. Alle anderen, die bleiben, werden jedoch begeistert sein. Hilko Drude ist Spieleautor und als Übersetzer vorallem für Gesellschaftsspiele aus dem asiatischen Raum zuständig – und er macht keinen Hehl daraus, das der Mainstream an seinen Artikeln vollkommen vorbei geht. Hier unter Du bist dran! findet sich das ein oder andere Kleinod, unaufgeregt, aber definitiv ein Tummelpunkt für Liebhaber neuer Ideen. Die letzten beiden sind dann im übrigen auch tolle Diskussionspartner, was streitbare Meinungen angeht. Beide posten regelmäßig in oben bereits erwähnter „Brettspielwiese“ bei Facebook. Eine Diskussionsgruppe rund um DAS Thema, ein Pool von Spielevorschlägen und Einkaufstipps, um Regelfragen, Spieletreffen und Verabredungen im örtlichen Spieleladen.. Herzlichen Glückwunsch übrigens nachträglich zum 1000. aktiven Nutzer, liebe Brettspielwiese. Und habt Dank für immer wieder neue Ideen und für alles, was es an Neuigkeiten im Brettspielsektor gibt.
Denn diese neuen Ideen und markanten Themen sind es, die mich zu begeistern wissen – zumindest solange, bis es einen deutschen Ableger zu Tabletop gibt. Und deutsche Nerds, die Brettspiele spielen. Und Bernhard Hoecker in Star Trek. Oder wenigstens Wil Weaton bei Genial Daneben.

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2 Kommentare zu „Brettspiele, Blogs und Videoberichte – mehr Mut zum Anders sein.“

  1. Einerseits bin ich erfreut darüber, dass ein Schreiberling mal auf die Holzschreibart mancher Schablonenblogs eingeht, und andererseits bin ich entsetzt darüber, dass die Recherche dann doch so stümperhaft war. Zumindest lässt sich dies diesem Text so entnehmen, dass hier gerade mal die Folie vom Brettspielblogkonglumerat abgeknibbelt, und nicht die Verpackung selbst und deren Inhalt untersucht wurde. Schade. Denn sehr wohl gibt es auf dem Markt eine Vielzahl an unterschiedlichen Anbietern, die auch anderes zum Thema Brett-, Karten-, und Würfelspiele bieten. Beispiel gefällig? http://www.spielfritte.de zum Beispiel behandelt neben Rezensionen, in denen keineswegs nur Schablonenarbeit durchgeführt wird, auch vollkommen andere Formate. Todesanzeigen auf Spiele, Interviews mit Machern, die gefragt werden, welche Spiele frittiert gehörten, Podcasts mit fast philosophischen Hintergründen zu Spielen (ich sach ma so, fast), 5 Sekunden Spiele im Rätselformat, eine Schreibweise, die über „das fett abkriegen“ noch weiter hinaus geht und mehr … Hier wird eindeutig auf Unterhaltung und Entertainment gesetzt, Information ist fast zweitrangig. Auch andere Blogs schaffen dies mit Witz und Unterhaltung nicht Regeln zu zitieren, sondern Freude und Spaß zu vermitteln. Ich gebe Dir Recht, etwas mehr Verspieltheit hinsichtlich Unterhaltung in den Blogs um selbstreflexiver zu sein, könnte so manchen nicht schaden, aber so grau schaut es in der deutschsprachigen Bloggerszene nicht aus. So zumindest meine Lesenserfahrung.

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  2. Eine deutsche Version von „Tabletop“ ist für mich ungefähr so nötig wie StudiVZ statt Facebook. Erstens wäre es ein bloßer Abklatsch ohne Mehrwert für jemanden, der des Englischen mächtig ist, zweitens schaue ich es doch genau wegen den Leuten, die in dieser Runde sitzen.
    Dasselbe Gefühl habe ich auch bei den deutschen Versionen von den Dice Tower Top 10 Videos. Ich schaue das doch nicht zur Informationsbeschaffung, sondern weil ich genau diese drei Typen und ihre Interaktion unterhaltsam finde.

    Interessant sind solche Übersetzungen nur, wenn dadurch Mehrwert entsteht. So behandelt zum Beispiel die Daily Show erwartungsweise eher selten die deutsche Innenpolitik, wer Witze darüber sehen will, greift zur Heute-Show.
    Der Brettspielmarkt ist aber derart globalisiert, dass dieses Argument größtenteils wegfällt.

    Was lesenswerte Blogs angeht:
    Jeder darf bloggen, was immer er will. Nicht jeder kann total spannend und unterhaltsam schreiben. Nicht jeder wird immer Themen und Ideen finden, die sich irgendwie „New Boardgame Journalism“ nennen können. Oder aufregende Formate erfinden.

    Ich würde aber den Teufel tun und deshalb generalisieren, namentlich angreifen oder irgendwelche Ansprüche formulieren.

    Beste Grüße
    Peter (schreibt einen langweiligen Blog) 😉

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